Tips – Ökonom sucht Auswege

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Hans Promberger
Tips vom 22.03.2016

ALTMÜNSTER. Der aus Neukirchen/Altmünster stammende Wirtschaftshistoriker Josef Nussbaumer referierte in seiner Heimatgemeinde über den globalen Ist-Zustand und stellte sein Buch zu diesem Thema vor. Seine Analyse schwankt zwischen Apokalypse und Hoffnung.

Im Stile der aus dem Fernsehen bekannten Sendung „Scíence Busters”, in der Physiker komplizierte und skurrile Phänomene auf unterhaltsame Weise erklären, begeisterte Nussbaumer das Publikum mit Fakten, Zahlen und Erklärungen. In seinem Buch „Leidenswege der Ökonomie” macht er auf die negativen Folgen des derzeit vorherrschenden Wirtschaftssystems aufmerksam. Anhand der Metapher der Kreuzwegstationen werden darin in 14 Stationen globale Probleme im Zusammenhang mit Arbeit, Produktion, Konsum, Ressourcen, Mobilität, Boden, Wald, Meer, Wasser, Arten, Hunger, Verteilung, Müll und Klima näher beleuchtet, aber auch vorhandene Hoffnungsschimmer. „Die Probleme der Menschheit sind lösbar”, diagnostiziert er, „allerdings nur wenn wir unsere Lebensgewohnheiten zum Teil deutlich ändern.” Tips nutzte die Gelegenheit zum „Gespräch” mit dem Dozenten an der Uni Innsbruck.

Tips: Wie sind Sie zur Auseinandersetzung mit Wirtschaftsgeschichte gekommen?

Nussbaumer: Ich wollte in Innsbruck Pädagogik und Philosophie studieren. Doch dann bin ich mit einem Freund 1976 nach einer begeisternden Alte Geschichte-Vorlesung und vor der Olympia-Hysterie in Innsbruck nach Ägypten geflogen. Als ich sah wie dort die Menschen lebten, hatte ich ein „Aha-Erlebnis“. Ich begann Sozial- und Wirtschaftsgeschichte zu studieren und dann noch Volkswirtschaft. Ich finde, das ist eine ideale Kombination, weil ein Minimum an Wissen auch für Ökonomen wichtig ist.

Tips: Ihre Analyse des Weltzustandes ist ziemlich schonungslos. Es klingt fast nach Apokalypse.

Nussbaumer: Mein Vortrag hat die Funktion eines Tatsachenberichtes, der den Zustand ziemlich intensiv betrachtet. Sonst gibt es keinen Antrieb für Hoffnung. Diese beginnt ja erst mit dem Gefühl der Hoffnungslosigkeit.

Tips: Worin sehen Sie das größte globale Problem?

Nussbaumer: Die Verknappung der Ressourcen und der mögliche Verteilungskampf sind wohl das größte Problem. Selbst Rohstoffe wie Sand werden zur Mangelware. China hat in den letzten drei Jahren so viel Zement verbraucht wie die USA im ganzen 20. Jahrhundert. Sogar der Wüstenstaat Dubai muss Sand importieren. Es droht auch ein Graben zwischen jenen, die Arbeit haben und jenen, die keine haben. Wir müssen uns bewusst sein, dass die Zeit zwischen 1950 und 1995 nur ein kurzes Intermezzo war. Die jetzigen Flüchtlingsströme könnten uns in einigen Jahren wie ein Sonntagsspaziergang vorkommen, wenn wir die Verteilungsprobleme nicht fairer regeln.

Tips: Gibt es die Chance auf den Sieg der Vernunft und Einsicht bei den politischen Eliten?

Nussbaumer: Das Einsehen bei den Eliten scheint zu wachsen. Den Politikern ist es bisher noch zu gut gegangen, jetzt geht es aber ans Eingemachte. Ein großer Teil ihres Klientels fühlt sich an den Rand gedrängt – das sieht man an den Wahlerfolgen des Front national oder der AfD. Beim Weltwirtschaftsforum in Davos – dem Treffen der Superreichen – wurde erstmals ernsthaft über bedingungsloses Grundeinkommen diskutiert. Das wäre vor 15 Jahren noch unmöglich gewesen.

Tips: Was wären aus Ihrer Sicht wichtige Maßnahmen?

Nussbaumer: Ein konkreter Schritt wäre weg von der übermäßigen Besteuerung von Arbeit. Ein anderer Weg, Vermögen zu besteuern – zum Beispiel mittels Maschinensteuer – ist nötig. Dazu wären auch Konzernmanager bereit. Ein großer Fehler wäre, die Sozialgelder zu streichen, der Mindestlohn in Deutschland hat sich auch positiv ausgewirkt. Die EU muss bestehen bleiben, ein Zurück wäre furchtbar. Wenn wir die Grenzen konsequent schließen würden, müssten wir verhungern. Wir sollten nicht moralisieren, aber zeigen, dass das Reinversetzen in die Situation des Anderen wichtig ist. Da ist noch ungeheuer viel Aufklärung nötig. Das gehört auch in die Lehrpläne rein.

Tips: Es gibt also durchaus noch Hoffnung?

Nussbaumer: Es gibt ja auch erfreuliche Indikatoren: Die Zahl der Unterernährten und die extreme Armut sinken, ebenso die Mütter- und Kindersterblichkeit. Im Vorjahr wurde in Deutschland erstmals mehr Solarstrom als Atomstrom erzeugt. In China erzeugen Windkraftwerke mittlerweile mehr Energie als alle amerikanischen Atomkraftwerke zusammen. Und ein banales Beispiel: Meine Frau hat vor Kurzem beim Bankomaten Geld vergessen. Sie dachte, sie würde es nie wieder sehen. Doch ein ehrlicher Finder hatte es am Schalter abgegeben. Sowas gibt Hoffnung. Statistisch gibt es immer mehr Gute als Schlechte, sonst wären wir schon ausgestorben. Aber man braucht schon eine große Frusttoleranz und Hirnschmalz ist und bleibt die knappste Ressource.

Tips: Wie kann man junge Leute dazu bringen, sich mit Wirtschaft und Geschichte auseinanderzusetzen?

Nussbaumer: Das Streichen von Geschichte-Stunden in der Schule ist ein Schmarren. Die Schüler lassen sich schon begeistern. Sie sind sehr interessiert an der Aufklärung über die Weltzustände. Auch für das Thema Gerechtigkeit und Verteilungsfragen lassen sie sich mit der richtigen Herangehensweise begeistern. Aber das muss man nicht mit der Holzhammer-Methode oder erhobenem Zeigefinger angehen, sondern so freiwillig wie möglich.

Tips: Gerade der Jugend wird ja immer vorgeworfen, sich egoistisch und hedonistisch zu verhalten. Was veranlasst Sie daran zu zweifeln?

Nussbaumer: Die Beispiele aus meiner eigenen Familie. Mein Sohn hat aufgehört Fleisch zu essen und hängt auch nicht mehr so sehr am Auto. Ich selbst bin kein Konsumverweigerer, habe aber gelernt, dass man mit weniger gleich viel Genuss erhalten kann. Im Urlaub muss es auch nicht nicht immer Mallorca sein, sondern auch mal “Balkonien”. Da gibt es keine lästigen Kellner und man ist frei in seinen Entscheidungen.

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