Rezension: Eine Wirtschaft, die Leiden schafft
von pr
Sonntagsblatt (Diözese Bozen-Brixen), 29.3.15, S. 11
Aufklären, ja aufrütteln will die eben erschienene Veröffentlichung “Leidenswege der Ökonomie”. Der Kreuzweg Jesu ist für die Autoren ein Bild, um die Leiden von Millionen Menschen aufzuzeigen.
Die Auswahl der Stationen orientiert sich dabei aber nicht an den historischen Kreuzwegstationen. Vielmehr zeigen die mehrfach ausgezeichneten Innsbrucker Autoren Josef Nussbaumer, Andreas Exenberger und Stefan Neuner anhand von 14 weltweite Probleme auf, wie Millionen oder Milliarden von Menschen Opfer der Ökonomie werden.
Angeregt wurden die Autoren zu diesem Buch auch durch die Enzyklika “Evangelia Gaudium” von Papst Franziskus. Dran spricht der Papst ein “Nein zu einer Wirtschaft der Ausschließung”, dazu die unerwartete Formulierung, “Diese Wirtschaft tötet”. Der Papst sage nicht, “die Wirtschaft tötet”, sondern “diese”, und meine damit nicht irgendeine. “Dieser kleine Zusatz ist wichtig, weil damit gemeint ist, dass es eine Wirtschaft gebe könnte, eine, die nicht tötet”, betonen die Autoren.
Erschreckende Fakten
Das Thema “Hunger” eröffnet die Stationen. “Bei keinem anderen Thema liegt der Leidens- und Kreuzweg so nahe wie beim Hunger”, lesen wir. Viele der Betroffenen seien von Geburt an zum Zunge verurteilt, jeden Tag verhungerten sie ein Stückchen, um schließlich einen vorzeitigen Tod zu sterben.
Der Hunger habe viele Ursache. Zuerst müsse es gelingen, die Vernichtung von Lebensmitteln zu vermindern. Auch müssten sich die Konsumgewohnheiten ändern. Es müsse zu “einem Aufschrei gegen den weltweiten Hunger kommen”.
Darauf folgt das Thema “Produktion”. Der menschliche Leidensweg speise sich mit Ausbeutungsprozessen, die den Menschen und die Natur betreffen. So schuften sich Tausende Zuckerrohrschneider der Agroindustrie in Mittelamerika für die Herstellung von Biosprit zu Tode.
Dem entspricht in der 3. Station der “Massenkonsum”. “Viele Menschen im Süden produzieren billige Konsumgüter für die Menschen im Norden”, so die Autoren. Dabei müssten 2,5 Milliarden Menschen ohne Klo auskommen, mit allen schädlichen Folgen für Menschen und Umwelt.
Mit “Ressourcen” ist die 4. Station überschrieben. In vielen Gegenden blute die Erde durch Ausbeutung und Vertreibung von Menschen. “Weltweit leben zwei Drittel der ärmsten Menschen in rohstoffreichen Ländern”, wird festgestellt.
Auch zum Thema “Mobilität” (5. Station) lesen wir beeindruckende Zahlen. So dürfte sich die Zahl der Autos bis zum Jahre 2035 von heute 1,1 auf 2,3 Milliarden verdoppeln.
Wasser und Artenvielfalt sind bedroht
Der Boden (6. Station) werde zum “vergifteten Lebensquell” durch Brandrodung und Verschmutzung. Die Hälfte der Baumarten auf der Welt sei gefährdet (7. Station). Auch die Meere werden schonungslos ausgebeutet (8. Station). Schon heute habe die Hälfte der Weltbevölkerung zu wenig Wasser (9. Station). Die Artenvielfalt (10. Station) sei bedroht.
Mit dem Thema “Arbeit” (11. Station) komme man dem Kreuzweggedanken sehr nahe. “Für hunderte Millionen Menschen ist die tagtägliche Arbeit ein echter Leidensweg.” Weltweit seien rund 1,1 Milliarden Menschen arbeitslos. Ein Großteil der Leidenswege hängt mit der Verteilung (12. Station) zusammen. Ein Prozent der Weltbevölkerung verfüge über fast die Hälfte der weltweiten Reichtums. Die Langlebigkeit gewisser Abfälle (13. Station) verschärfe das Problem. Mit dem Klimawandel verlieren wir, so die Autoren die Zukunft (14. Station).
Einen “Hoffnungsschimmer” ist die letzte Station gewidmet. Schon heute gehe das weltweite Bevölkerungswachstum zurück, ebenso die Säuglingssterblichkeit. Auch der Kampf gegen den Hunger zeige erste Erfolge. Die Nutzung zeige erste Erfolge. Die Nutzung erneuerbarer Energien nehme zu. Auch erkenne man heute stärker, dass echter Klimaschutz sogar Motor für Wachstum und Wohlstand sein könnte.