“Wenn die Welt ein Dorf mit 100 Einwohnern wäre”
von Mag. Uta Löser
FH KUFSTEIN, am 09.02.2010
„Wenn die Welt ein Dorf mit 100 Einwohnern wäre,…“ auf diesem interessanten Gedanken- experiment basiert Unser kleines Dorf von Josef Nussbaumer und Andreas Exenberger. Die konsequent durchgehaltene kleinräumige Perspektive, der Blick auf das Dorf Globo mit seinen BewohnerInnen, die in den sechs Weilern Afrika, Asien, Europa (inkl. Russland), Lateinamerika, Nordamerika und Ozeanien leben, macht den Zustand unserer Welt und ihre Probleme wie durch ein Brennglas überdeutlich sichtbar. Eingebettet in den Kontext des „Dreigestirns“ Globalisierungskrise, Energiekrise und Klimawandel durchzieht die Frage nach dem möglichen Lebensstandard das ganze Buch.
Die Autoren beleuchten zunächst zentrale Lebensbereiche wie Wirtschaft, Ressourcen- gewinnung und Energieverbrauch, Ernährung, Arbeit, Bildung, Gesundheitsversorgung, Infrastruktur und Konsumverhalten. Dabei beschränken sie sich nicht nur auf die Beschreibung der Gegenwart (Hauptbezugspunkt ist das Jahr 2000), sondern bieten auch systematische Rückblenden auf die historische Entwicklung im so genannten „Anthropozän“ – also jenem Zeitraum seit ca. 1800, in dem der Mensch der prägende Faktor des Weltgeschehens ist – und zum Teil erschreckende Ausblicke in die Zukunft. Ressourcen- und Süßwasserknappheit, Wüstenbildung sowie dadurch ausgelöste Verteilungskämpfe und weitere Verelendung einer großen Zahl von Menschen bergen reichlich Konfliktpotential.
Zahlreiche Karten und Grafiken von Stefan Neuner machen die Ausführungen konkret, anschaulich und fassbar. Neben der originellen Darstellung der „Globogeografie“ (zweidimensionale Aufbreitung der Weltkarte als Dorfplan) schärfen auch Details wie die Einzeichnung der zwei „Müllstrudel“, die gegenwärtig im Pazifik treiben, den Blick für Realitäten. So wird anhand einer Grafik sehr deutlich, welch vielfältige politische und gesellschaftliche Implikationen mit der Energiefrage verbunden sind und warum sie eine zentrale „Schicksalsfrage“ für Globo darstellt.
Die Hälfte des gesamten Vermögens in Globo liegt in den Händen von nur zwei Menschen, während die ärmere Hälfte der Menschen nur über 1% des Vermögens verfügt: Das ist nur einer der Hinweise auf das massive Wohlstandsgefälle und die herrschende Verteilungs- ungerechtigkeit, die das Buch leitmotivisch durchziehen. Im Schlussteil werden die drei großen Problemkreise fehlende Nachhaltigkeit (Umweltproblem), fehlende Gerechtigkeit (Verteilungs- problem) und fehlender Frieden (Gewaltproblem) dann explizit angesprochen und erörtert. Dabei unterstützt die auf das Dorf Globo reduzierte Perspektive die ambitionierten Ziele der Autoren auf mehrfache Weise: Sie hilft uns, die oft fernen Lebensrealitäten unserer Mitmenschen zusehen und zu begreifen, „dass Unerfreuliches durch Wegschauen nicht einfach verschwindet“. Denn es wird ganz deutlich: Es gibt nur dieses e i n e Dorf und wir BewohnerInnen können nicht einfach weiterziehen. Fazit: ein aufrüttelndes, erhellendes und sehr informatives Buch.