Hinweis: “Ein Tiroler Dorf spielt Welt”
inpuncto, weitblick, Mai 2013, Seite 6
von Romana Pockstaller
Ein Ortsteil hat kein Wasser, ein anderer wird mit Müll zugeschüttet. In der Langen Nacht der Kirchen wird aus der Tiroler Pfarre Münster ein paar Stunden lang das Weltdorf „Globo“.
Passend zur Langen Nacht der Kirchen sei ihr die Idee tatsächlich in der Nacht „als rettender Geistesblitz“ gekommen, erzählt Pastoralassistentin Roswitha Wimmer. Nachdem bereits viele Ideen zur Gestaltung debattiert und wieder verworfen worden waren, einigten sich die Verantwortlichen dann schnell auf Wimmers Vorschlag, die Besucher der Langen Nacht in Münster ins Weltdorf „Globo“ einzuladen.
Die Idee eines Weltdorfes. Das Weltdorf „Globo“ ist eine Erfindung von Josef Nussbaumer, der an der Universität Innsbruck Wirtschafts- und Sozialgeschichte lehrt. Mit der Idee, die Unmenge globaler Daten auf ein kleines Dorf herunterzubrechen, gelingt es dem Autorenteam Josef Nussbaumer und Andreas Exenberger, Zusammenhänge verständlich zu machen. „Denn die Fähigkeit zur Veränderung, die über unsere Zukunft entscheidet, setzt voraus, dass wir um die tatsächlichen Zustände nicht nur wissen, sondern sie auch wirklich begreifen und zum Teil unseres Lebens machen“, steht auf der Rückseite des Buches. Die Landkarten des Grafikers Stefan Neuner, in denen beispielsweise gleich links von Nordamerika eine riesige Müllinsel im Ozean schwimmt, sorgen für manchen Aha-Effekt.
„Unser kleines Dorf“ im Buch. Im Jahr 2000 leben im Weltdorf „Globo“ 100 Menschen, wobei jeweils ein Bewohner für 60 Millionen Erdenbürger steht. 50 Frauen und 50 Männer bevölkern die Weiler Asien, Afrika, Europa, Latein- und Nordamerika. Die meisten davon, nämlich 61, leben in Asien, am wenigsten (fünf) in Nordamerika. Während dort die Reichsten mit einem jährlichen Pro-Kopf-Einkommen von 21.200 Euro zuhause sind, verdient der durchschnittliche Afrikaner gerade mal 1.175 Euro. 61 Prozent des gesamten Konsums entfällt auf nur zwölf Menschen, 39 Prozent auf die restlichen 88. 20 Menschen haben keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser, 15 leben in Slums. Vier von 20 Kindern müssen arbeiten, um zu überleben. Jedes Jahr stirbt eine Person und zwei werden geboren. Nachhaltigkeit und Verteilungsgerechtigkeit werden im Buch ebenso aufgegriffen wie Wege, kommende Krisen halbwegs zu bewältigen.
Aus Münster wird „Globo“. Für die Lange Nacht wird Nussbaumer die Zahlen und Fakten aus „Unser kleines Dorf“ auf Münster umrechnen. „Mir taugt so was“, meint Michael Prettenhofer, hauptberuflich Produktionsplaner in der pharmazeutischen Industrie und einer der Initiatoren des LNK-Projekts in der Unterländer Pfarre: „Wir möchten zum Nachdenken über globale Zusammenhänge anregen – und das gelingt viel leichter, wenn man es sich ganz konkret vorstellt: Der eine Ortsteil von Münster hat kein Wasser und den anderen schütten wir mit Müll zu!“ Waltraud Schatz, unter anderem für den EZA- Laden in der Pfarre zuständig, ist der Blick über die europäischen Grenzen hinaus wichtig: „Mir geht es um Bewusstseinsbildung, zum Beispiel, dass ein Leiberl um zwei Euro nicht fair erzeugt worden sein kann!“ Dass das Projekt den Menschen einmal einen ganz anderen Blick auf „Kirche“ eröffnet, erhofft sich Roswitha Wimmer. „Und ich denke, es öffnet auch jenen Menschen die Tür, die der Kirche eher fernstehen.“
Das andere Gesicht von Kirche. „Zuerst dachte ich mir, nur nicht bei der Planung stören“, gesteht Pfarrer Marek Ciesielski schmunzelnd. Mittlerweile ist der Seelsorger vom Projekt überzeugt, hat es doch auch ihn selber sensibler für die Thematik gemacht. Dass Kirche nicht nur zur Liturgie, sondern in einer globalisierten Welt auch zu Solidarität und Hilfsbereitschaft einlädt, ist für Dekanatsassistent Bernhard Teißl-Mede- rer eine wichtige Botschaft: „Ich hoffe, dass die Kirche dadurch wieder glaubwürdiger wird.“