Wir haben es heute mit drei großen Krisen zu tun, so der prominente US-amerikanische Zukunftsforscher Jeremy Rifkin:
Kapitel 1 – Bevölkerung
Die Beschreibung von Globo soll mit seinen Menschen beginnen. Hier hat sich gerade im Anthropozän ein fundamentaler Wandel ereignet. Im Jahr 1825 lebten in Globo nämlich gerade einmal 18 Menschen, davon nur 5 im Weiler Europa. Das war jene Zeit, als der englische Pastor und Ökonom Thomas Robert Malthus seinen Essay on the Principles of Population geschrieben hat.
Dabei kam er zu dem Ergebnis, dass diese Bevölkerung kaum mehr wachsen könne, weil es der Nahrungsmittelmangel sowie damit verbundene Krankheiten und Konflikte in Bälde nicht mehr zulassen würde. De facto begann die Dorfbevölkerung damals erst richtig zu wachsen, und was in weitere Folge über die Unvergleichbarkeit vieler Entwicklungen in den letzten 200 Jahren festgehalten wird, gilt in gleicher Weise und ganz grundlegend schon für die Zahl der Menschen. Verglichen mit den vorangegangenen zwei Jahrtausenden beschleunigte sich das Bevölkerungswachstum in den letzten zwei Jahrhunderten um den Faktor 12. Das bedeutet z.B., dass die Globo-Bevölkerung heute alle drei Jahre um die gleiche Anzahl an Menschen zunimmt wie insgesamt während der ersten 1.500 Jahre christlicher Zeitrechnung…
Kapitel 2 – Wirtschaftsentwicklung
Ausmaß und Geschwindigkeit des wirtschaftlichen Wandels während des Anthropozän finden im Archiv von Globo keine angemessenen Vergleiche. Es wäre daher vorrangige Aufgabe des Dorfchronisten (das war fast sicher immer ein Mann, was wohl nicht ohne Einfluss darauf war, was aufgezeichnet wurde), auf diese Niveauverschiebung immer und immer wieder hinzuweisen.
Bislang scheint die Botschaft aber bei zu wenigen Bewohnerinnen und Bewohnern angekommen zu sein, geschweige denn, dass daraus Konsequenzen gezogen würden.
Der kritische Sozialwissenschaftler und Begründer der evolutionären Ökonomik, Kenneth Ewart Boulding, ist diesbezüglich hingegen eindeutig: „Wer glaubt, exponentielles Wachstum kann auf einem begrenzten Planeten für immer fortschreiten, ist entweder ein Schwachkopf oder ein Ökonom.“, soll er einmal gesagt haben…
Kapitel 3 – Landwirtschaft und Ernährung
Aber können in Globo überhaupt genug Nahrungsmittel für alle produ- ziert werden? Der schon erwähnte Thomas Malthus war hier pessi- mistisch: Er erwartete eine eher stabile Bevölkerungszahl, deren ei- gentlich exponentielles Wachstum durch Hunger, Kriege, Seuchen usw. „reguliert“ würde. Zu solchen Krisen ist es auch in den letzten 200 Jahren durchaus gekommen, die Bevölkerung von Globo hat sich aber trotzdem versechsfacht…
Kapitel 4 – Energie
Nun folgt ein weiteres zentrales Element der Lebensrealität in Globo, vielleicht sogar sein nervus rerum (wörtlich „Nerv der Dinge“): die Energie. Dazu sind drei kurze, aber grundsätzliche Vorbemerkungen nötig.
Erstens kann Energie im physikalischen Sinn weder geschaffen noch zerstört werden. Obwohl sie also höchstens umgewandelt werden kann, sprechen gerade Ökonominnen und Ökonomen üblicherweise von Energie-Erzeugung und Energie-Verbrauch, was freilich durchaus der konkreten Erfahrung von z.B „erzeugter“ und „verbrauchter“ Wärme entspricht. In diesem Buch wird daher diese Konvention übernommen.
Zweitens ist Energie eine zentrale Ressource des Wirtschafts-, Gesellschafts- und Konsumsystems in Globo. Die Energiefrage berührt beinahe alle Lebensbereiche, wie z.B. die Produktion von Nahrungsmitteln und deren Bereitstellung, die Förderung von Rohstoffen, die Produktion von Industrie- und Konsumgütern, das Verkehrswesen, die Bereitstellung von Information, das Beheizen von Wohnraum, die Beleuchtung und vieles andere mehr.
Drittens ist festzuhalten, dass das Energiewesen zudem die Umwelt in Dorf Globo intensiv beeinflusst. Neben der Energieknappheit ist diese Auswirkung des Energieverbrauchs wahrscheinlich das wichtigste Problem in diesem gesamten Komplex.
Es ist deshalb keine Übertreibung, wenn bisweilen davon gesprochen wird, dass die Energiefrage eine „Schicksalsfrage“ für Globo darstellt…
Kapitel 5 – Mobilität
Der Übergang vom Thema Energie zum Thema Mobilität ist einfach, denn das eine hängt direkt mit dem anderen zusammen. In Kombination mit Technologie ist Energie der entscheidende Faktor, der die Mobilität begrenzt, sowohl vom Tempo wie auch vom Umfang her, und die Art der Bewegung ist direkt vom Energieregime bestimmt.
Das ist umso wichtiger, als die Menschen in Globo immer zu einer gewissen Mobilität gezwungen waren. Auch nach der „Sesshaftwerdung“ waren in einer Kombination von so genannten Pull- und Push-Faktoren (solche, die Menschen in die Fremde „fortziehen“ und von zuhause „wegstoßen“) immer wieder viele Menschen zur Bewegung genötigt, insbesondere in Kriegszeiten, infolge von Versorgungskrisen und Umweltkatastrophen oder auf der Suche nach Arbeit oder Reichtümern. Mit anderen Worten: Der Mensch ist seiner Anlage nach eigentlich ein Homo Migrans.
Die Reisegeschwindigkeit, mit der er sich dabei bewegte, blieb über Jahrtausende allerdings annähernd gleich, weshalb der Mensch sich lange auch nur langsam über das Dorf verbreitete…
Kapitel 6 – Arbeit
Beim Tourismus wurde ein Unterschied, den die Beschäftigung von Menschen in verschiedenen „Wirtschaftssektoren“ bedeuten kann, bereits angesprochen. Im historischen Rückblick auf die „Arbeit“ fällt aber vor allem die völlige Dominanz der Landwirtschaft auf, denn erst in den 1990er-Jahren übernahm der Dienstleistungssektor im Hinblick auf die Beschäftigtenzahl in Globo die Führung.
Noch um 1900 lebten hingegen drei Viertel der Bevölkerung, also 19 Menschen, von Erträgen aus dem ersten Sektor. Deren Anzahl stieg während des 20. Jahrhunderts zudem nahezu ständig an und hatte sich bis 1980 verdoppelt (bei freilich sinkendem Beschäftigungsanteil dieses Sektors). Die Industrie hingegen versorgt zurzeit nur ca. ein Fünftel der Menschen in Globo, wobei das Maximum in diesem Sektor überschritten sein dürfte. Sie war und ist daher im gesamten Dorf nie auch nur annähernd so dominant, wie das heute der Dienstleistungs- sektor ist oder früher der Agrarsektor war. Im Gegenteil: Auch wenn die Industrie zentral für die wirtschaftliche Entwicklung von Globo war, war sie im Hinblick auf die Beschäftigung der Menschen immer ein Minderheitenprogramm…
Kapitel 7 – Konsum
Das Konsumzeitalter in Globo ist kein Jahrhundert alt, selbst wenn man die ältesten Spuren im Weiler Nordamerika berücksichtigt, und nur ein halbes, wenn man den Weiler Europa betrachtet. Ein interessanter Zusammenhang dürfte darin bestehen, dass der Ökonom John Maynard Keynes in den 1930er-Jahren die Bedeutung des Konsums für die Wirtschaft und die Wirtschaftswissenschaft neu bewertete.
Stand man ihm früher skeptisch gegenüber, weil Konsumausgaben Mittel von Investitionen abzogen und so „unproduktiv“ machten, wurde mit Keynes die Bedeutung des Konsums für die Produktion und damit für die gesamtwirtschaftliche Wohlfahrt erkannt. Das war ein echter Richtungswechsel der ökonomischen Theorie und manche sahen nun im Konsum sogar ein Allheilmittel der Krisenbewältigung. Daher interpretierte ihn Walt W. Rostow in seinem Buch Stadien wirtschaftlichen Wachstums 1960 sogar als „Alternative zur marxistischen Entwicklungstheorie“…
Kapitel 8 – Die größten Probleme
Aus den bisherigen Ausführungen ist deutlich geworden, dass Globo ein von zahlreichen Problemen geprägter Ort ist. Aus ihrer Fülle sollen in diesem letzten Kapitel die drei wahrscheinlich größten aufgegriffen werden, um sie nochmals zu verdeutlichen:
fehlende Nachhaltigkeit (das Umweltproblem), fehlende Gerechtigkeit (das Verteilungsproblem) und fehlender Frieden (das Gewaltproblem)…
Epilog – Gegenwärtige und zukünftige Krisen
Der Jahreswechsel von 2008 auf 2009 war in Globo geprägt von einer Krise, die nicht ganz in das anfangs vorgestellte Dreigestirn aus Globalisierungskrise, Energiekrise und Klimakrise von Jeremy Rifkin passt. Am ehesten hat sie noch mit „Globalisierung“ zu tun, aber sie überlagert das Thema „Klima“ und scheint auf die „Energie“ sogar beruhigend zu wirken (wenngleich wohl trügerisch).
Die Krise begann spätestens 2007, als ein Hauskäufer im Weiler Nordamerika seine ihm aufgedrängte Überschuldung nicht mehr bewältigen konnte, und wurde „Hypothekenkrise“ getauft. Da einige der etwa 10 Menschen in Globo mit genug Ersparnissen zum Investieren auch auf die Rückzahlung des nun uneinbringlichen Kredits spekuliert hatten, weitete sie sich im Herbst 2008 zu einem Problem auch für diese Gruppe aus und erhielt den neuen Namen „Finanzkrise“. Bis zum Frühjahr 2009 ist daraus eine allgemeine Wirtschaftskrise geworden, die alle Bewohnerinnen und Bewohner im Dorf direkt oder indirekt noch einige Zeit lang betreffen wird…
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