In Gesprächen über den Zusatz der Welt wird es schnell abstrakt. Wohlstand, Gesundheit und Energieversorgung von siebeneinhalb Milliarden Menschen zu beschreiben ist komplex. Die drei österreichischen Ökonomen Andreas Exenberger, Stefan Neuner und Josef Nussbaumer haben deshalb vor zwölf Jahren ein Buch unter dem Titel „Unser kleines Dorf“ geschrieben. Darin taten sie so, als lebten in einem globalen Dorf genau 100 Menschen – sie verteilten sich ungleich auf die Welter Amerika, Afrika, Asien, Europa und Australien. Dadurch wurden Vergleiche des Lebensstandards plastischer.
In der Zwischenzeit haben sich die Vereinten Nationen im Jahr 2015 ihre 17 Ziele der nachhaltigen Entwicklung (UN Sustainable Development Goals) gegeben, und die Autoren hielten es für eine gute Idee, dem Dorf Globo einen weiteren Besuch abzustatten. Auch für die Leser ist das ein Gewinn. Da die Bevölkerung inzwischen deutlich zugenommen hat stand ein Globo-Bewohner statt für 60,8 nun für 73,5 Millionen Menschen. 13 Menschen lebten in beiden Teilen des amerikanischen Kontinents, 10 in Europa, 16 in Afrika und 61 in Asien. Der Großteil arbeitet in der Landwirtschaft oder anderweitig zu Hause. In 100 Jahren hart der Wohlstand stark zugenommen dennoch besaß nur die älfte der Bewohner eine Zahnbürste. Emissionen, Müll und Abwässer wurden zu einem wachsenden Problem. Deshalb vereinbarten 10 der 100 Bewohner, für die sich die drei Autoren jeweils prototypische Lebensläufe ausgedacht haben, 17 Ziele von denen die ersten (nicht in Armut leben, genug zu essen haben, ein gesundes Leben führen und gute Bildungschancen haben) die dringlichsten sind.
Jedem Ziel ist ein Kapitel gewidmet, in dem die Autoren den Zustand beschreiben und in die Zukunft blicken. Der Lebensstandard in den ärmeren Ländern nimmt zwar zu, die Unterschiede aber sind gravierend. 9 Menschen in Afrika, 1 Mensch in Lateinamerika und 16 in Asien sind als sehr arm zu bezeichnen. Durch den Aufstieg Chinas ist der Anteil sehr armer Menschen in Asien stark gefallen. Im kommenden Jahrzehnt dürften sie vor allem in Afrika leben. Als Mangel beschreiben die Autoren, dass es im Dorf zu wenig Industrie gebe. Gleichzeitig zählen die Kapitel zur Wegwerfgesellschaft und zur Erderwärmung zu den eindringlichsten des Buhes. „Globo – Eine neue Welt mit 100 Menschen“ ist der gelungene Versuch, die Komplexität der globalen Herausforderungen in einen Maßstab zu bringen. Es gibt Grund für Optimismus, aber es wird deutlich, wie schwer es wird Kano und Ukene aus Afrika und Bagno aus Asien gleichwertige Lebensverhältnisse zu ermöglichen während Austin aus Amerika und Roanne aus Europa mit ihrem Konsum die Erde überbeanspruchen.
Philipp Krohn
Die Welt – ein Dorf: Drei Ökonomen über nachhaltige Entwicklungsziele
Frankfurter Allgemeine Zeitung, Print Ausgabe, 17.05.2021