Mehr als 320 Missionarinnen und Missionare sind von 1945 bis heute von Tirol aus in die Welt gezogen. Unter oft prekären und gefährlichen Bedingungen haben sie viel für die Verbesserung der Lebensumstände der Menschen geleistet. Nachzulesen ist das in einem neuen Buch von Josef Nussbaumer, der dafür zahlreiche Archive durchforstet hat.
Dass das 180 Seiten umfassende Buch mit einem „MissionarInnenQuiz“ endet, sagt schon alles darüber, was auf den Seiten zuvor zu finden ist. Vollgepackt mit Informationen und Zahlen, ist das Buch ein Panoptikum von bekannten und beinah vergessenen Missionar/innen aus Tirol. „Mir ist es darum gegangen, dass die Tätigkeit der Missionarinnen und Missionare nicht vergessen wird“, sagt Josef Nussbaumer. „Diese Menschen haben einen wertvollen Beitrag für das soziale Leben geleistet und nicht nur den Glauben verkündigt“. Deutlich wird das anhand der von ihm zusammengetragenen Daten über die Missionare.
Starke Persönlichkeiten. Durchforstet hat Nussbaumer den Zeitraum ab 1945. Berücksichtigt wurden alle Missionarinnen und Missionare, die entweder in Tirol geboren wurden, einer in Tirol beheimateten Ordensgemeinschaft angehörten oder für einen bestimmte Zeitraum in Tirol gelebt haben. Das Ergebnis: Von knapp 40 missionarisch tätigen Orden gingen in dieser Zeit rund 320 Frauen und Männer in die Mission – und zwar in 60 verschiedene Länder. „Das waren durchwegs starke Persönlichkeiten, viele von ihnen auch künstlerisch begabt“, so Nussbaumer. Vor allem in den ersten Jahrzehnten nach dem Weltkrieg hätten die Missionar/innen oft unter kriegerischen Auseinandersetzungen gelitten, auf einige wurden Mordanschläge verübt, nicht wenige sind getötet worden. Nussbaumer hat akribisch recherchiert, aus welchen Tiroler Orten die Missionar/innen stammen, wieviele welchem Orden angehörten und in welche Länder sie gingen. Dieses Zahlenmaterial liefert einen guten Überblick, die wahre Würze jedoch liegt in den Lebensgeschichten der Missionar/innen und ihren Leistungen. Drei Beispiele von in Tirol wenig bekannten Missionar/innen seien hier genannt:
Kapuzinerpater Thomas Rothauer (19432000, Werfen) galt in Madagaskar als wahres Multitalent: Er hat als Techniker, Mechaniker und Schweißer die Fahrzeuge in Schuss gehalten, hat Passbilder für die Bewohner gemacht und selbst entwickelt, als Zahnarzt mit einer fußbetriebenenen Bohrmaschine gearbeitet und als Baumeister gewirkt.
Jesuitenpater Johannes Hofinger (19051984, St. Johann i. T.) hat in China und auf den Philippinen gewirkt, wo er gemeinsam mit anderen Jesuiten ein Pastoralinstitut gegründet hat, das sich der Erneuerung der Glaubensverkündigung verschrieben hat. Dieses spätere Ostasiatische Pastoralinstitut (EAPI) hat sich für die Verwendung der Volkssprache in Verkündigung und Lehre eingesetzt und hatte großen Einfluss auf die Liturgiereform des II. Vatikanischen Konzils.
Sr. Johanna Senn (19302017, Tannheim) wurde in Innsbruck zur Bildhauerin ausgebildet und trat 1956 in das Kloster Wernberg in Kärnten ein. Sie hat in Tirol, Kärnten und Ländern im südlichen Afrika einige Altäre gestaltet und Bilder gestaltet, u.a. in der Kapelle eines Förderzentrums für behinderte Kinder in Kibilizi (Ruanda). Dieses Spätwerk (2008), an dem auch Künstler aus Afrika mitwirkten, zeigt exemplarisch das Anliegen von Sr. Johanna Senn, Elemente der örtlichen Tradition und Kultur in ihr Werk einfließen zu lassen und so eine Brücke zwischen Kultur, Tradition und christlicher Botschaft zu schaffen.
Buchpräsentation. Das Buch „Aufbruch in andere Welten. Ein Tiroler Missionsbüchlein“ wird am Donnerstag, 4. November um 19.30 Uhr im Haus der Begegnung präsentiert. Der Erlös aus dem Verkauf des Buches kommt karitativen Zwecken zugute.
Von Tirol in die Welt
Walter Hölbing
Tiroler Sonntag, 04.11.2021 Tiroler Sonntag