Bericht: Hoffnungstropfen
von Hans Holzinger
proZukunft, Mai 2019
„Dieses Buch handelt nicht von einer heilen Welt, in der alles perfekt und gut ist. Es handelt vielmehr davon, dass auch in unserer heutigen – oft als katastrophal bezeichneten – Welt eine schier unüberschaubare Fülle von erfreulichen, positiven Erscheinungen und Aktivitäten zu finden ist und sich zudem viele sehr viele Belange in den letzten Jahren und Jahrzehnten (zum Teil erheblich) ge- und verbessert haben.“ (S. 7) Damit stellen die Autoren gleich zu Beginn ihrer Ausführungen klar, dass sie nichts schönreden, aber durchaus dazu auffordern wollen, einmal einen „Brillenwechsel“ vorzunehmen. Zu zwanzig Themen von Bevölkerung, Gesundheit und Armut über Bildung, Landwirtschaft und Hunger bis hin zu Arbeit, Energie und Ökonomie sowie Demokratie, Katastrophen und Gewalt listen Josef Nussbaumer und Stefan Neuner – beide Sozial- und Wirtschaftshistoriker an der Universität Innsbruck – „Hoffnungstropfen“ auf, also Dinge, die sich zuletzt zum Besseren gewendet haben und damit Hoffnung geben sollen.
Jedes Kapitel beginnt mit einer Einführung, in der jeweils zentrale Trends, verdeutlicht durch signifikante Beispiele, ausführlicher vorgestellt werden (hier haben auch Anmerkungen über Probleme ihren Platz); danach folgen, ähnlich Twittermeldungen, Kurzhinweise auf Erfolge, jeweils versehen mit Quellenangaben. Über 800 „Hoffnungstropfen“ haben die Autoren zusammengetragen – darunter Bekanntes wie der steile Aufwärtstrend der erneuerbaren Energien und die Zunahme an Städten mit innovativen Mobilitätslösungen, aber auch weniger Bekanntes, etwa dass die Gewalt und auch die Todesopfer durch Terroranschläge zurückgehen (wer Steven Pinker gelesen hat, weiß das). Man erfährt von interessanten Studien, etwa dass biologischer Landbau bei vielen Früchten kaum weniger Ertrag bringt als „konventionelle“ Landwirtschaft, auf die Dauer gerechnet, sogar effizienter ist (S. 81). Und man lernt beeindruckende Projekte und Initiativen kennen, die von zivilgesellschaftlichem Engagement zeugen, etwa eine erfolgreiche Klage einer kolumbianischen Organisation („Tierra Digna“), der gemäß erstmals in Lateinamerika ein Fluss „als Subjekt anerkannt wurde, dessen Rechte verteidigt werden müssen“ (S. 189).
Die Beispiele sind beeindruckend und das Buch ist lesenswert. Zwei Fragen bleiben freilich: Angesichts der hohen Produktivität, des gigantischen Reichtums in der Welt (der extrem ungleich verteilt ist, wie die neue Oxfam-Studie wiederum zeigte) und der Vergeudung von Ressourcen etwa für Waffenkäufe bleiben die erzielten sozialen Erfolge weit hinter dem zurück, was möglich wäre – es müsste kein Mensch Hunger leiden, niemand in Armut leben, niemand obdachlos sein. Und ob der ökologische Wandel radikal genug sein wird, um den Klimawandel auf ein erträgliches Maß zu bremsen, ist auch noch keineswegs ausgemacht – so toll die vorgestellten Beispiele auch sind.