Interview: Josef Nussbaumer
von Marina Mayrböck
Oberösterreichische Nachrichten, 25.10.2018, S 5
MATTIGHOFEN. Hunger, räuberischer Ressourcenverbrauch, die tiefe Kluft zwischen Arm und Reich: Der Tiroler Wirtschaftshistoriker Josef Nussbaumer beschäftigt sich mit den globalen Krankheitsbildern und mit Leidenswegen, die viele Millionen Menschen tagtäglich gehen müssen, weil die Ökonomie für sie keinen anderen Weg bereithält. Über den kritischen Zustand des Patienten „Planet“ hat sich die Warte mit ihm unterhalten.
Warte: Herr Doktor, wie lange noch?
Josef Nussbaumer: Oh, das ist eine Frage, die müsste man wohl dem lieben Gott stellen und nachdem der uns ja gewisse Freiheiten gegeben hat, wäre er wohl selber nicht sicher. Die Frage ist nicht ob der Planet überlebt, sondern ob wir auf diesem Planeten weiter sinnvoll leben können.
Welches weltwirtschaftliche Problem gehört notversorgt?
Da gäbe es eine ganze Menge zu nennen. Das größte ist wohl noch immer das Verteilungsproblem, die Kluft zwischen Arm und Reich. Der Kampf um Nahrung, um Energie und Ressourcen, … ist ein Spiegelbild davon. Selbst das aktuell vielleicht größte Problem, die Klimaproblematik, ist letztlich ein Verteilungsproblem. Man stelle sich eine Welt vor, in der jeder Erdenbewohner pro Kopf nur die gleiche Menge an Co2 ausstoßen dürfte, vom Innviertel bis China oder Afrika.
Globale gesellschaftliche Krankheiten und Hoffnungs- tropfen dagegen – so der Titel Ih- res Vortrages. Im Vergleich klingt das irgendwie homöopathisch…
Ja, das Bild mit der Homöopathie gefällt mir sehr gut. Ein Wesenszug der Homöopathie besteht ja darin, dass Anhänger von diesen Mitteln fest an die Wirkungskraft glauben. Viele Tropfen können eben einen Fluss bilden und ein Fluss kann bekanntlich sehr mächtig werden. Das weiß jeder, der zum Beispiel am Inn lebt.
Ihr Buch „Leidenswege der Ökonomie“ sei zu negativ gewesen, das Jammern ein Fressen für Populisten. Ist „Hoffnungstropfen“ erschienen, um den Suderanten eines auszuwischen?
Nein! Bitte: Ich sage nicht, dass der Weltzustand ideal ist, ich sage nur, dass es berechtigte Hoffnung gibt, dass wir auch recht große Probleme lösen können/könnten. Und dies geht nur dann, wenn möglichst viele Menschen weiter motiviert werden an einer Verbesserung der lokalen und der globalen Welt mitzuarbeiten und nicht im populistischen Sudern und in der Inaktivität, der Lethargie, verweilen.
Sie befinden sich heute in einer Gegend mit vielen Landwirten. Jetzt sagten Sie einmal, die Subventionitis unserer Landwirtschaft gehöre gestrichen…
Dieser Satz ist aus dem Zusammenhang gerissen: Die Verteilungsproblematik gilt auch im globalen, landwirtschaftlichen Bereich. Die OECD-Länder, also die Reichen, subventionieren mit Milliardenbeträgen an Dollar ihre nationalen Landwirtschaften und verscherbeln dann ihre Überschüsse in Entwicklungsländer. Die Bauern dort müssen mit den subventionierten Lebensmitteln konkurrieren und haben am freien Markt keine Chance.
Haben Sie kein Handy, um Ressourcen zu sparen?
Nein, das wäre ja naiv. Ich möchte aber darauf hinweisen, dass ich versuche den „räuberischen Ressourcenverbrauch“ nicht zu huldigen. Ich habe nicht nur kein Handy, ich habe auch kein Auto, keinen Laptop, keinen Fotoapparat, etc. Ich lebe damit sehr gut. Ich brauche mich auch nicht zu ärgern, wenn eines dieser Geräte nicht, oder nur schlecht funktioniert. Zudem habe ich schon vor vielen Jahren beschlossen, jeden Cent, den ich neben meinem Ge- halt (jetzt ist es die Pension) verdiene – etwa bei Vorträgen oder bei dem Verkauf eines Buches – zu 100 Prozent an Arme zu verschenken. Letzteres bereitet mir viel mehr Freude, als damit weitere persönliche Konsumgüter anzuhäufen.