Interview: Josef Nussbaumer
AK Vorarlberg Zeitung, Oktober 2018, Seite 10
Als Katastrophenforscher kennt Univ.-Prof. Dr. Josef Nussbaumer das Elend der Welt. Doch er hält ihm unzählige erfreuliche Trends entgegen, die allzu leicht übersehen werden. In der AK-Reihe „Wissen fürs Leben“ stiftete er überzeugend zur Hoffnung an.
AKtion: Sie weigern sich, in den Chor der Jammerer einzustimmen, und sagen, Sie hätten gute Gründe: Nennen Sie mir wenigstens drei.
Josef Nussbaumer: Sie haben schon recht, wenn man nur die Schlagzeilen hernimmt, müsste man Pessimist werden. Aber die Informationsqualität wird besser, wenn man sich auch die Trends anschaut. Da gibt es ungeheuer viele positive: Die Lebenserwartung etwa ist enorm gestiegen. Das Beste ist, dass wir auch länger gesund bleiben. In Japan leben derzeit 70.000 Hundertjährige.
Die Versorgung mit Lebensmitteln hat sich verbessert,der Hunger war global vor 30, 40 Jahren viel schlimmer als heute. Derzeit hungert jeder Zehnte, nach dem Zweiten Weltkrieg war es jeder Fünfte. Die Todesrate der großen Seuchen hat sich drastisch verringert, so wie die Gewalt in den vergangenen 50 Jahren markant weniger wurde.
Und doch fühlen sich offenbar so viele Menschen unsicher.
Nussbaumer: Ja, das ist der Teufel der Subjektivität. Ein erheblicher Teil unserer Gesellschaft hat das Gefühl, dass seine Umgebung gewalttätiger geworden ist. Wie man dagegenhalten kann? Wir müssen uns schlichtweg viel besser informieren.
Aber selbst dem Journalismus wird ja vorgeworfen, immer oberflächlicher zu werden.
Nussbaumer: Durch den Neoliberalismus wurde der Qualitätsjournalismus ausgedünnt. Oft fehlt die Zeit für gute Recherche. Aber selbst hier gibt es einen Hoffnungsschimmer: Die Beschuldigungen etwa durch US-Präsident Donald Trump haben bewirkt, dass in den USA der Qualitätsjournalismus wieder bessere Karten hat. Die Schnelllebigkeit ist gefährlich, denn Wahrheit braucht eben Zeit. Das permanente Hinterfragen ist enorm wichtig. Diktatoren werden nie wollen, dass ihr Volk informiert wird, das gilt bis hinein in unser Innenministerium.
Was soll der Einzelne nun tun?
Nussbaumer: Ich würde sagen: Eine gute Zeitung, aber die genau lesen. Dort erfährt man dann Geschichten wie jene des Afrikaners Yacouba Sawadogo, der jetzt den alternativen Nobelpreis erhält. Mehr als 30 Jahre ist er als Esel verspottet worden. Aber er hat an sich geglaubt und als Einzelner Millionen Menschen geholfen. Man sieht, was ein einzelnes Individuum Positives bewirken kann.
Manchmal sind die Vorbilder ganz nahe …
Nussbaumer: Genau, das Idol wohnt möglicherweise gleich nebenan. Wir müssen nur aufmerksam hinsehen.