Yoga Zeit – Grund zur Hoffnung

Im Gespräch: Grund zur Hoffnung
von Lena Raubaum
Yoga Zeit – Magazin mit Seele, April 2018, S 16-19

Wenn es etwas gibt, wozu wir alle gehören, dann ist es sie, unsere Welt. Und bedingt durch viele zum Teil katastrophale und traurige Nachrichten kann es passieren, dass wir uns zunehmend Sorgen um sie machen, Angst um sie haben, Tränen um sie weinen. Gleichzeitig: auf und in der Welt passiert eine schier unüberschaubare Fülle an erfreulichen Erscheinungen, Aktivitäten, Verbesserungen, die es gilt zu unterstreichen. In ihrem Buch „Hoffnungstropfen“ haben Josef Nussbaumer und Stefan Neuner sämtliche dieser positiven und freudigen Entwicklungen gesammelt – Fakten, nach- richten, Botschaften, die aufatmend glücklich und hoffnungsvoll stimmen. Lena Raubaum hat sich mit den beiden „Hoffnungstropfen-Sammlern“ unterhalten.

L.R.: Herr Nussbaumer, Herr Neuner – was hat Sie veranlasst, ein Buch wie „Hoffnungstropfen“ zu schreiben? Wie kam es dazu und für welche Menschen haben Sie es geschrieben?
Ein Buch zu schreiben ist meist ein sehr vielschichtiges und zeitaufwendiges Unterfangen, das auch von vielen Zufälle beeinflusst wird. Ein wesentliches Motiv für die „Hoffnungstropfen“ war das Vorgängerbuch „Leidenswege der Ökonomie“ (Nussbaumer, Exenberger, Neuner, Innsbruck 2015). Wie der Name schon andeutet, sind in diesem Buch viele Probleme unseres Planeten aufgelistet. Bei den diversen Buchpräsentationen kam deshalb aus dem Auditorium sehr oft die berechtigte Frage, ob es denn nicht auch POSITIVES auf unserem Planeten gäbe? Und in der Tat, wie die „Hoffnungstropfen“ zeigen, gibt es das. Dafür mussten wir aber selbst unsere „schwarze“ Brille ablegen und die Welt mit einer „helleren“ Brille betrachten. Dazu zwei wichtige Fußnoten: Nachdem wir uns auch mit den negativen Dingen auf unserem Globus beschäftigt haben, kann uns niemand Naivität vorwerfen. Wir kennen diesen globalen Aspekt sehr wohl. Und gerade deswegen war es uns wichtig zu zeigen, dass Aktivismus für eine Verbesserung von Zuständen, und seien sie noch so klein, nie Zeitverschwendung sind und es sich lohnt, sich dafür einzusetzen.

L.R.: Warum ausgerechnet der Titel “Hoffnungstropfen”?
Der Titel ist ganz bewusst gewählt. Es geht im Buch in der Tat meist „nur“ um Tropfen. Aber jeder Tropfen steht für einen hoffnungsvollen Ansatz, wie sich sozio-ökonomische Belange in den letzten Jahrzehnten verbessert haben. Schlimm wäre es, wenn es solche Tropfen nicht gäbe. Man kann diese Tropfen auch mit Schmerztropfen vergleichen, die helfen sollten Schmerzen zu lindern. Und auch die langfristigen Wirkungen soll man dabei nicht unterschätzen. Wer kennt nicht das Sprichwort vom „steten Tropfen“, der den „Stein höhlt“? Das Negative ist somit nicht in Stein „gemeißelt“. So gesehen sind diese Tropfen sowohl kurzfristige, wie auch langfristige Motivationshilfen gegen die Lethargie, bzw. gegen das immer wieder zitierte „da kann man eh nichts machen“.

L.R.: In der Einleitung steht, „selbst wenn es uns so gut, ja sogar unvergleichlich besser geht als früher, neigen wir dazu, die negativen Fakten überzubewerten“. Warum glauben Sie ist dem so?
Das hat viele Ursachen. Sie alle hier aufzulisten, dazu fehlt der Platz. Deshalb nur ein paar Aspekte. Ein wesentlicher Blickpunkt unserer Betrachtung ist der historische Zugang (wir sind beide u.a. auch Sozial- und Wirtschaftshistoriker). Gerade dieser historische Zugang kommt heute oft zu kurz, wir sind zu „gegenwartsbesessen“, ja geradezu „gegenwartsverliebt“ und vergessen somit das Vergangene. Dadurch fehlen uns auch Vergleichsperspektiven. Denken Sie nur daran, wie die Lebenserwartung sich in den letzten 100 Jahren geändert (verlängert) hat … oder unter welchen erbärmlichen Bedingungen die Durchschnittsbevölkerung noch in der Nachkriegsgesellschaft gelebt hat. Wer von uns möchte in einem Krankenhaus mit einer Ausstattung des Jahres 1920 behandelt werden? Dazu kommt, dass die mediale Berichterstattung häufig auf negative Ereignisse fokussiert ist. Stichwort: „Bad news are good news“. Die fast stündliche Wiederholung dieser Nachrichten in den Medien (Radio, Fernsehen, etc.) verdichtet das Gefühl, dass die NEGATIVEN Ereignisse dominieren. Solange die Gewaltrate nicht auf null gesunken ist, wird es immer genügend Grausamkeiten geben, um die Abendnachrichten zu füllen. Aber es wäre ein Trugschluss, daraus statistische Trends abzuleiten.

L.R.: Was sagen Sie den Hoffnungslosen? Was braucht es, damit unser aller Zuversicht größer wird?
Dies ist eine sehr schwierige und in dieser Kürze kaum befriedigend zu beantwortende Frage. Deshalb nur ein kleiner laienhafter Versuch. Für ein erfülltes Leben braucht es drei wesentliche Dinge. a) eine sinnvolle Betätigungsmöglichkeit, b) ein Minimum an Geborgenheit und Sicherheit („Liebe“) und last but not least c) Hoffnung. Wenn einer dieser Aspekt fehlt, kann das Leben sehr schwer werden, wenn alle drei Aspekte fehlen, dann lebt man nicht, dann „vegetiert“ man nur. Hoffnung ist ein wesentlicher Bestandteil sinnvollen Lebens, dessen sich auch der/die „Hoffnungsarme“ bewusst sein sollte. Zudem ist es die Verpflichtung der „Hoffnungsreichen“, die Verzweifelnden nicht zu vergessen und diese gerade bei der Suche danach zu unterstützen. Diese Unterstützung ist zeitaufwendig und auch arbeitsintensiv, dennoch sollte man nicht aufhören, Hoffnung selbst in kleinen Dosen weiter zu verbreiten. Die Zeit heilt bekanntlich keine Narben, die Zeit kann aber Wunden heilen. Gerade dies sollte nicht vergessen werden.

L.R.: Laut meiner Recherche stammt das Wort „Hoffnung“ aus dem mittelniederdeutschen „hopen“ ab, was soviel wie „hüpfen“, „springen“ oder „zappeln“ heißt. Bei welchen der gesammelten Fakten hüpfen Sie bzw. welche der Geschichten berühren Sie ganz besonders?
Ja, das Bild mit dem Hüpfen gefällt auch uns sehr gut. Man kann ja bekanntlich aus Freude hüpfen, aber man kann auch springen, weil sich eine Hoffnung erfüllt hat. Dabei sind wohl die schönsten Freuden diejenigen, die völlig unerwartet eintreten. Im Buch selber sind solche Aspekte angeführt. Ist es nicht herrlich, wenn etwa in Simbabwe 10 Jahre keine Todesstrafe durchgeführt werden konnte, weil die Justizbehörden keinen Henker dafür finden konnten?Besonders beeindruckend sind wohl jene Fälle, wo eine einzelne Person durch ihren unermüdlichen Einsatz es schafft, Aktionen in die Wege zu leiten, die dann vielen Menschen zu gute kommen. Das sind dann keine Hoffnungstropfen mehr, sondern ganze Ströme. So wie zB Tony Rinaudo, auf dessen Initiative hin über 200 Millionen Bäume gepflanzt wurden, die Millionen Menschen als Lebensgrundlage dienen.

L.R.: Welche Quellen empfehlen Sie Menschen, die genug von negativen Nachrichten haben und mehr Positives oder eben Hoffnung-Gebendes über die Welt erfahren wollen? Wo und wie sich informieren?
DIE Quelle für Hoffnung gibt es nicht. Nur ständiges Hinterfragen von allzu selbstverständlichen negativen Zuständen führt weiter. Im Buch „Die 10 Gebote der Ökologie“ (Friedrich Schmidt-Bleek) lautete das 10. Gebot: INFORMIERE DICH. Dem ist nichts hinzufügen. Hoffnung soll nicht das weniger Wissen ersetzen, ganz im Gegenteil. Hoffnung heißt immer wieder Alternativen gegen negative Tatbestände aufzuzeigen, und das ist bekanntlich kein leichtes Unterfangen. Je mehr man sich mit einer Fragestellung auseinandersetzt, desto mehr wird man wohl auch erfahren, dass eine nur negative Sichtweise nicht den vollen Tatsachen entspricht.

L.R.: Die Erlöse aus diesem Buch fließen zu 100 Prozent dem Verein teamGlobo zu – wofür setzt sich dieser Verein ein?
Der Verein teamGlobo hat seinen Sitz in Innsbruck und bezweckt die Förderung der Bewusstseinsbildung, der Bildungsarbeit und der Forschung im Hinblick auf globale Ungerechtigkeiten sowie die finanzielle Förderung von in diesem Bereich karitativ tätigen Personen und Organisationen. Begonnen hat alles damit, dass wir (Nussbaumer, Exenberger, Neuner) zusammen mit Markus Mayer im Jahr 2009 das Buch „Unser kleines Dorf“ veröffentlichten. Schon damals entschlossen wir uns, sämtliche Erlöse aus Buchverkäufen zu spenden. Kurze Zeit später stieß Christine Rainer dazu, die als Pädagogin für die GloboSchule verantwortlich ist. Seit dem wurden vier wirtschaftshistorische Bücher und ein Spiel auf den Markt gebracht, Vorträge und Workshops vor tausenden von Menschen abgehalten und der Verein teamGlobo gegründet. Mit Februar 2018 hat das teamGlobo nun über EUR 117.000 gespendet. Mit den Spenden wurden zB eine Solaranlage in Zimbabwe, die Arbeit von Erwin Kräutler in Brasilien, Kinderheimprojekte in Palästina und Rumänien, das Integrationshaus und die Städtische Herberge in Innsbruck oder aber auch die Finca El Bosquecillo (Kolumbien) und Brunnenprojekte in Kambodscha unterstützt. Nähere Informationen finden Sie unter: www.teamglobo.net

L.R.: Und die letzte Frage: was wünschen Sie sich für diese unsere Welt?
Das ist fast wie ein frommer Wunsch an das Christkind. Wir sind minimierende Optimisten, die an (auch kleine) Verbesserungen glauben. Worin unser Hauptanliegen besteht, ist im Vereinszweck dokumentiert. Weniger globale Ungerechtigkeit, ein Minimum an Lebenschancen für alle Erdenbürger und Bildung für v.a. Frauen und Kinder, das sind unsere zentralen Anliegen. Dies ist eine Megaaufgabe, aber wir fühlen uns dabei nicht alleine. Auch die UNO hat diesbezüglich eine ganze Fülle an Hoffnungspunkten in Ihrem Programm für 2030 festgelegt. Selbst wenn nicht alle Ziele erreicht werden, wir sollten dennoch daran arbeiten. Wir brauchen dabei nicht nur eine Stärkung der Nächstenliebe, sondern auch eine Art „Fernstenliebe“. Vielleicht gelingt es durch viele kleine Hoffnungstropfen auch unsere (manchmal steinernen) Herzen zu erweichen?

L.R: Herr Nussbaumer, Herr Neuner, ein herzliches und hoffnungsvolles Danke für dieses Interview.